Im Herbst 2004 hatten die Mitarbeiter von Opel in Bochum die Möglichkeit, Geschichte für den Arbeitsmarkt in Deutschland zu schreiben.
Ein furioser Start von 0 auf 100, dann - als hätten die Initiatoren Angst vor der eigenen Courage bekommen - dezenter Rückzug und sich gegenseitig auf die Schultern klopfend glücklich reden, dass im Rahmen der Möglichkeiten das Bestmögliche erreicht wurde.
Seitdem hat sich bei Opel einiges getan - zu diesem Thema hatte ich mich mit der Überschrift
OPEL - oder: „Bitte helfen Sie uns, damit wir Sie weg-rationalisieren können!“
ausgiebig befasst.
Dass nach dem Personalabbau plötzlich eine so hohe Nachfrage nach dem Zafira kam, dass man jetzt gezwungen ist, diesen Personalengpass im polnischen Werk zu kompensieren, zeigt deutlich die rücksichtslose Vorgehensweise des Managements und die kompromisslose Ausrichtung auf Gewinnmaximierung auch oder erst recht gegen das Wohl der Mitarbeiter.
So sehr ich Gewinne begrüße, hier werden sie realisiert, indem man die überflüssigen Mitarbeiter dem „größten Mitarbeiter der Bundesrepublik - Agentur für Arbeit“ überträgt und somit die Allgemeinheit diesen Gewinn bezahlen lässt.
Wenn „Bild“ recht hat (www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1111237), wird der Volkswagen-Geländewagen „Marrakesch“ doch im Stammwerk (und somit nicht in Portugal) gebaut, die „... Arbeitnehmerseite habe sich zu erheblichen Zugeständnissen bei den Lohnkosten bereit erklärt...“. Weiterhin ist dort zu lesen „... Entscheidung gilt als Testfall für die Kompromissbereitschaft der Arbeitnehmer und könnte wegweisend für die anderen fünf westdeutschen VW-Werke ...“. Ich denke sogar noch weiter - es wird der Testfall für alle Industriebetriebe in Deutschland sein.
Noch ist es Sonntag, der Bericht muss also noch nicht die Realität darstellen - ich befürchte jedoch, dass „Bild“ das Ergebnis hier richtig vorwegnimmt.
Soll ich nun traurig sein?
Oh ja, es macht mich traurig, traurig und wütend zugleich. Traurig deswegen, weil die alten Unternehmertugenden in Deutschland nur noch so selten gelebt werden, dass jeder einzelne extra erwähnt wird, wie z. B. Wolfgang Grupp, der Geschäftsführer von Trigema (http://www.karrierefuehrer.de/arbeitswelt/grupp_interview.html) , der zitiert wird mit
“Die Verantwortung für meine Mitarbeiter steht an erster Stelle” oder “Die Trigema-Betriebsfamilie” bekennt sich eindeutig zum Wirtschaftsstandort Deutschland.
Wütend macht mich, dass die Betroffenen außer jammern nichts tun werden und mit jeder hingenommenen Kürzung dem Management zeigen, dass das Ende der Fahnenstange immer noch nicht erreicht ist und man somit ja ruhig noch weiter kürzen kann.
Könnte ein Streik etwas bewirken?
Das kommt darauf an, wen man fragt:
Das Management wird erklären, nicht erpressbar zu sein und genügend Geld in der Kasse zu haben (das mit dem Geld stimmt tatsächlich) und dass man eher ein Werk schließen würde, bevor man nachgibt. Dem widerspricht allerdings, dass man eine Werksschließung im Zusammenhang mit Belgien gerechnet und als unrentabel ermittelt hat (http://www.ftd.de/ub/in/23514.html?nv=cd-rss).
Die Gewerkschaft weiß, dass sie nicht alle Mitarbeiter hinter sich bekommt - Streikgelder gibt es ohnehin nur für die Mitglieder - eine Schlappe kann sie sich zur Zeit nicht leisten.
Der Betriebsrat (ich nehme an, es gibt noch einen, gegen den nicht wegen Vorteilsnahme ermittelt wird), muss erst wieder das Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen.
Ich bin ein Freund des Ausgleichs - Macht, egal auf welcher Seite, verführt.
Was aber die Unternehmen hier an Maßnahmen auffahren, ist Macht pur - schauen Sie mal in der Schublade nach, ob Ihr Stirnband aus Ihrer Zeit der Protestkundgebungen (Nato-Doppelbeschluss, Pershing usw. - Sie erinnern sich?) noch vorhanden ist.
Ihr Gegner damals war viel mächtiger (USA, Bundesrepublik), Sie waren damals aber überzeugt, das Richtige zu tun. Vor was haben Sie heute Angst? Vor dem Verzicht auf Annehmlichkeiten? Sie können sicher sein, Ihr Verzicht hat bereits begonnen.
Entscheiden Sie klug, aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit!