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Freitag, Oktober 07, 2005

Kanzlerqual

Ich habe das Geschachere um den Kanzlerposten in unserem schönen Land ja bereits weiter unten mit einer romantischen Komödie verglichen. So langsam scheint mir das Ganze aber eher in Richtung Reality-Tragödie abzudriften. Die Nachwahl in Dresden ist vorüber und fröhlich geht's weiter mit gegenseitigen "Ätsch-wir-sind-doch-besser"-Vorhaltungen. Könnte das bitte mal aufhören ?

Archie ist ein weitaus besserer Zahlenjongleur als ich, aber es ist doch bemerkenswert, dass knapp ZWEI DRITTEL der wählenden Bevölkerung einerseits Schröder und andererseits Merkel nicht an der Spitze des Landes sehen wollen (die Nichtwähler lasse ich mal außen vor). Wenn das selbst mir als leidenschaftlichem Zahlen- und Statistikverschmäher aufgefallen ist, müsste es doch auch unseren Volksvertretern einleuchten. Wie kann man da jetzt holterdipolter einen Machtanspruch herleiten ? Wenn ich vor der Theke einer amerikanischen Klopsbraterei stehe, einen Hamburger bestelle und nur ein Drittel des Kaufpreises in der Tasche habe, mache ich ja auch keine Anwartschaftsansprüche an der Bulette geltend.

Eine große Koalition bedeutet Stillstand - diesen Sinnspruch platzieren oft und gerne vor allem die Fans von Westerwelle und Co. in die Diskussion. Bisher habe ich wenig darauf gegeben, denn die FDP muss das ja sagen, nachdem die Wahlklientel seit 7 Jahren keine Lobbyisten mehr in die Machtzentrale einschleusen kann.

Eine große Koalition kann aber auch das Abschneiden von alten Zöpfen mit sich bringen. Merkel sowie Schröder sind gemeinsam Verlierer der Wahl (und da kann der Gerd die Prognose von vor 5 Monaten noch so weit nach unten drücken) - sie beide polarisieren und hemmen.

Sehen wir doch den Tatsachen ins Auge: dem rot-grünen Wähler mit Merkelverhinderungsabsichtstendenz kann man bestimmt keine Begeisterungsstürme entlocken, wenn Angela nun mit den Stimmen der SPD ins Kanzleramt gehievt wird. Da reibt sich Oskar schon vorfreudig die Hände über das anstehende Wählerzuwachspotenzial. Andererseits grübelt der schwarz-gelbe Kanzlerabwahlaspirant, weshalb die Physikerin aus dem Osten mit einem derart bescheidenen Wahlergebnis die künftigen Leitlinien der Politik bestimmen soll. Und Schröder will von denen auch keiner mehr ganz oben sehen.

Dass die großen Volksparteien sich zusammensetzen, die Ärmel aufkrempeln und gemeinsam Lösungen für die gegenwärtigen Probleme finden, indem sie die kompetentesten Köpfe aus ihren Reihen zusammenarbeiten lassen - diese romantische Hoffnung sehe ich zur Zeit immer mehr schwinden. Aber ist es darüber hinaus auch zu naiv, auf die Einsicht der Politiker zu vertrauen, eine große Koalition mit unverbrauchten Ideen und Köpfen anzugehen ?